Während es draußen schneit, zieht auch der Blog gerade wieder sein hübschestes Winterkleid an, denn heute nehme ich Dich mit in unser erstes schwedisches Weihnachten, dass wir vor wenigen Wochen auf einem südschwedischen Hof, der Villa Vilan, verbracht haben.
Über Weihnachten zu verreisen war für uns eine kleine Premiere, denn für gewöhnlich verbringen wir die Weihnachtsfeiertage zu Hause oder statten unseren Familien einen Besuch ab. Dass es bei diesem Weihnachtsfest anders kam war mehr spontane Bauchentscheidung als wohlüberlegter Plan, und so beschlossen wir eines spätsommerlichen Abends, ganz beseelt von unserem letzten Schweden-Urlaub, unser erstes Weihnachten in Bullerbü…
Von da an ging alles ganz schnell und erstaunlich einfach. Am Tag vor Heilig Abend packten wir ein wenig Hab & Gut, jede Menge weihnachtliche Vorfreude und ein paar Funken Aufregung in unsere Koffer, und bestiegen in aller Herrgottsfrühe ein Flugzeug nach Göteborg. Mit dem Mietwagen ging es anschließend einmal quer durch Småland und etwa 2 Stunden später standen wir vor der Villa Vilan, einem wunderschönen alten Landhaus, das zu einem idyllischen Hof mitten in Südschweden gehört. Hier sollte das Ferienhaus ‚Ekkulle‚ unser schwedisches Zuhause für die nächsten Tage sein.
Ich habe mich an keinem neuen Ort bislang auf Anhieb so wohl und zuhause gefühlt wie in diesem entzückenden, freundlichen roten Holzhaus. Das Ferienhaus liegt auf einer kleinen Anhöhe umringt von Wiesen, Bäumen und einer Handvoll schwedischer Holzhäuser. Dass sich inmitten dieser ruhigen, idyllischen Natur nicht nur Menschen wohlfühlen, merken wir schon am ersten Morgen, als wir vom Frühstückstisch aus drei Rehe beim Grasen auf der Wiese vor unserem Ferienhaus entdecken. Natürlich war die Kamera langsamer als die Rehe, aber so sah er in etwa aus, der Zimtschnecken-selige Fensterblick vom Frühstückstisch…
Das Ferienhaus ist wunderschön und sehr liebevoll ausgestattet. Mit seinen knapp 100 Quadratmetern bietet es ausreichend Platz für 5 Personen. Herz des Hauses ist zweifellos das großzügige 45 Quadratmeter Wohn- und Esszimmer. Von der bequemen Couch hat man durch die große Glasfensterfront einen atemberaubenden Blick nach Draussen, und ich vermag mir nur ansatzweise vorzustellen wie wunderschön es hier wohl im Sommer sein mag, wenn sich dieser freundliche, große Raum noch um eine sonnenreiche Veranda vergrößern lässt.
Zu dem gemütlichen und sehr stilvoll ausgestatteten Haus gehören zwei mindestens genauso freundliche und herzliche Gastgeber. Stefanie Busam Golay und Nils Golay empfangen seit 2002 Gäste in der Villa Vilan und erweiterten ihre Ferien-Unterkunft-Vermietung mit den Jahren von nur einem Bed-and-Breakfast-Zimmer zu insgesamt 3 B&B-Zimmern und 2 Ferienhäusern. Neben dem Ferienhaus ‚Ekkulle‚, dass Nils vor etwa 10 Jahren selbst gebaut hat, bietet dass Landhaus ‚Äpellund‚ auf 2 Stockwerken Platz für etwa 8 Personen.
Stefanie und Nils stammen aus Deutschland bzw. der Schweiz und wanderten nach Quartieren in Frankreich, Kanada und der Schweiz gemeinsam nach Schweden aus, wo sie den kleinen schwedischen Hof rund um die Villa Vilan zu ihrem machten. Hier betreiben der Biologe und die Soziologin ihren Hof, empfangen das ganze Jahr über Gäste und kümmern sich nebenbei auch noch um den Erhalt von bedrohten schwedischen Nutztierrassen.
Sehr zur Freude unserer 3 Töchter ist man hier jederzeit willkommen den Gastgebern beim Versorgen der Tiere zu helfen. Rund um die Villa Vilan leben zahlreiche Hühner, Katzen, Bienen, das Schweinepärchen Freddy und Piggy sowie zahlreiche Rinder. Mit großem Enthusiasmus halfen unsere Mädels beim Futter für die Schweine anmischen, Tiere versorgen und Eier einsammeln. Sie verliebten sich in das süße Flaschen-Kalb Ida, kicherten über den Matschepampenspaß der Schweine und platzten vor Stolz darüber wer am schnellsten die Eier im Hühnerstall entdeckte.
Stefanie und Nils haben jederzeit ein offenes Ohr für die Fragen der Gäste, verraten gerne wo sich das Schwein am liebsten kraulen lässt, an welchen Stellen die Hühner gerne ihre Eier verstecken, warum es weltweit nur noch 300 Väneko-Rinder gibt und was sie alles tun um zum Rassenerhalt dieser vom Aussterben bedrohten Tierrassen beizutragen.
Zu unseren allmorgendlichen Highlights gehörten zweifellos die täglich von den Kindern gesammelten (Frühstücks-)Eier sowie das dick mit Butter und Villa-Vilan-Honig bestrichene Frühstücksbrot. Neben Eier und Honig hat man auch die Möglichkeit sich mit Fleisch aus eigener Produktion sowie Brot aus dem hofeigenen Steinbackofen einzudecken. Und auch in besonderen Notfällen, helfen Stefanie und Nils gerne aus, denn als wir aufgrund der knappen Anreise die Öffnungszeiten des Systembolaget (eine Art schwedischer Liquor-Store) knapp verpassten, und unsere Weingläser drohten an den Feiertagen leer zu bleiben, halfen uns die beiden mit einem edlen Tropfen aus ihrem privaten Weinkeller aus. Was für ein Glück!
Einzig und allein das Wetter war nicht so recht in Weihnachtsstimmung, von der erträumten schneebedeckten Winterlandschaft war nämlich weit und breit leider keine Spur und es regnete teilweise tagelang Bindfäden vom Himmel. Obwohl zu dem nasskalten Wetter auch noch die Tatsache hinzukam, dass es zu dieser Jahreszeit in Schweden sehr spät hell (gegen 9 Uhr) und schon früh wieder dunkel wird (ab 15 Uhr), schien dies niemandem von uns etwas auszumachen, denn unser Häuschen war unglaublich gemütlich, die Stimmung froh und alle Familienmitglieder weihnachtsselig. Dem fehlenden Schnee trotzten wir mit einer wundersam unerschütterlichen Gelassenheit, und die Dunkelheit hellten wir mit ganz viel Licht und Freude auf.
Wenn man wie wir Weihnachten zum ersten Mal woanders als Zuhause oder bei der Großfamilie verbringt, stellt man sich die Frage: Wieviel Weihnachten passt eigentlich in einen Koffer? Im Vorfeld unserer Reise nach Schweden haben wir uns viele Gedanken darüber gemacht was wir so brauchen für unser Weihnachtsgefühl? Jede Familie hat ihre heißgeliebten Weihnachts-Traditionen und Rituale, wir natürlich auch. Überquellende Plätzchendosen, der festlich geschmückte Weihnachtsbaum, der Kirchenbesuch an Heilig Abend, ein schwer beladenes Christkind, stundenlanger Raclette-Spaß, köchelnder Weihnachtspunsch, selige Kinderherzen und der dicht gefolgte schwerelose Fall in die wohlige Zeit zwischen den Jahren. All das gehörte irgendwie schon immer dazu und nichts davon mochte man bislang jemals missen.
Die Tatsache dass vieles davon aber nicht in die drei geplanten Koffer nach Schweden passen würde, fühlte sich für einen kurzen Moment schmerzlich an, wurde aber sogleich von einem angenehm befreienden Gefühl von Klarheit und „das wird schon werden“ abgelöst. Die Plätzchendosen, der edle Christbaumschmuck und das Raclettegeschirr blieben ebenso zuhause wie die gewohnten Weihnachts-Rituale und das So-muss-das-sein-Gefühl. Stattdessen packten wir etwas selbstgemachten und koffertauglichen Weihnachtsschmuck mit Lichterkette, ein minimalistische Auswahl an Weihnachtsgeschenken sowie eine große Portion Freiheitsgefühl und Abenteuerlust ein, und machten uns auf die Reise.
Eines der schönsten Weihnachtsgeschenke dieses Urlaubs stammte übrigens von den Gastgebern selbst, denn am morgen des Heiligen Abends durften wir uns in dem zur Villa Vilan gehörenden Wald einen Tannenbaum für unser schwedisches Weihnachtsfest fällen. Mit dem Bäumchen war es Liebe auf den ersten Blick und noch nie hat es ein Christbaum müheloser in unser Haus und Herz geschafft als dieses, zugegebenermaßen auffällig unauffällige, Exemplar.
Zurück im Ferienhaus angekommen schmückten wir den Baum mit unseren mitgebrachten Bügelperlen- und Stroh-Sternen, befestigten die Lichterkette und waren uns alle so einig wie man sich nur selten einig sein kann, dass wir noch nie einen Baum hatten, der uns glücklicher gemacht hatte als dieser hier. Und zack, da war es wieder: aus fünf Ichs wurde nach der oftmals viel zu lärmenden Vorweihnachtszeit wieder ein wunderschön leises Wir.
Wie bei uns wird Weihnachten in Schweden ebenso als sehr privates Familienfest gefeiert. In den Fenstern der schwedischen Häuser leuchten überall wunderschöne Lichterbögen, die Menschen ziehen sich für ein paar Tage in ihre Familien zurück, genießen an Heilig Abend gerne den traditionellen Julskinka (Weihnachtsschinken), Pepperkakor (Pfefferkuchen) und Glögg (Glühwein) und erfreuen sich hinterher an den Geschenken die Jultomte, der schwedische Weihnachtsmann, gebracht hat.
Die Ruhe dieser Zeit haben wir sehr genossen und als großes Geschenk betrachtet. Statt einer langen Liste an geplanten Aktivitäten und Sehenswürdigkeiten die man üblicherweise oft im Urlaub abklappert, haben wir einfach froh und munter in den Tag hineingelebt und nur das getan wonach uns gerade war. Während der eine über seinem Buch versank, füllte das große Töchterlein ihr neues Skizzenbuch und die anderen beiden kleinen Damen spielten ausgiebig mit ihren Weihnachtsgeschenken. Dank Vorhandensein von Fernseher und allen wichtigen deutschen Sendern mussten wir nicht mal auf den obligatorischen „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“-Vormittag bei Bratäpfeln und Punsch verzichten.
Ein paar besondere Ausflüge haben wir in einer Woche Småland aber dennoch gemacht, und diese gebe ich gerne als persönliche Empfehlung weiter.
Da die Villa Vilan sehr gut gelegen ist, gibt es zahlreiche Ausflugsziele in unmittelbarer Nähe oder zumindest in nicht allzu weiter Entfernung. Direkt vor der Haustüre, nur etwa 10 Minuten entfernt, liegt der Nationalpark Store Mosse, Südschwedens größtes und sehr vogelreiches Moorgebiet, mit seinem neu erbauten und sehr modernen Naturum. Von hier aus hat man einen überragenden Blick über das Moor bis zum See Kävsjön. Wie in vielen anderen schwedischen Museen und Besuchsstätten auch, muss man hier an der Tür seine Schuhe ausziehen, darf sich hinterher aber auch ein bisschen fühlen wie im heimischen Wohnzimmer. Am Kamin wartet ein gemütliches Plätzchen, jede Menge informativer Lesestoff und eine Tasse Kaffee, während die Kinder Tiere beobachten, Vogelfedern unter dem Mikroskop betrachten oder ein Elchgeweih in die Hand nehmen.
Auch immer einen Besuch wert: Jönköping mit seinem lebendigen und gemütlichen Stadtkern und das nicht weit davon entfernte zuckersüße Städtchen Gränna, die Wiege der rot-weißen Zuckerstangen. An diesen Ort kommen wir jedes Jahr immer wieder zurück um Erinnerungen aufzufrischen und sich jedes Jahr aufs Neue wieder die Nasen an den Glasscheiben plattzudrücken, hinter denen die Produktion der rot-weißen Süßigkeiten auf vollen Touren läuft. Der Einkauf hinterher ist selbstverständlich genauso Plicht wie ein Besuch des kleinen Eiscafes, dessen liebenswürdiger Besitzer Roni nicht nur den besten Espresso weit und breit serviert, sondern uns über die Jahre auch mächtig ans Herz gewachsen ist.
Ein Ausflugsziel, dass schon länger auf meiner Liste stand und wofür dieses Mal Zeit war, ist der Besuch der Ikea-Geburtsstadt Älmhult. Hier eröffnete 1958 der erste Ikea-Store in dessen Räumen sich heute das Ikea-Museum befindet. Und auch wenn ich mir diesen Ort in meiner Phantasie etwas spektakulärer und überraschender vorgestellt habe, war es dennoch ein toller Besuch. Neben einem authentischen Einblick in das Småland der 40er-Jahre, in dem der damals 17-jährige Ingvar Kamprad sein Unternehmen Ikea gründete, bekommt man auch die einzigartige Gelegenheit die allerersten Ikea-Möbel zu bestaunen und durch die Kataloge der letzten 60 Jahren zu schmökern. Im Museums-Shop gibt es Produkte die weltweit ausschließlich in Älmhult erhältlich sind, und als einzigartiges Souvenir kann man sich noch im aktuellen Cover-Setting des aktuellen Katalogs ablichten lassen. Kinder sind hier selbstverständlich überaus willkommen: sie dürfen ganz nach Lust und Laune durch die Ausstellung spazieren oder sich stundenlang im Kreativ-Raum austoben. Das Museum sollte man auf gar keinen Fall ohne einen Besuch des Ikea-Restaurants verlassen, dass Köttbullar & Co. so wunderbar anders und absolut vorzüglich serviert.
Auf die Frage wieviel Weihnachten denn nun in einen Koffer passt, gibt es nur eine Antwort: soviel und sowenig zugleich. Diese Reise die als verrückte Idee begann und so wunderbar schön war wie wir sie uns niemals erträumt hätten, brachte uns auch eine sehr große Erkenntnis: das Weihnachtsgefühl wohnt im Herzen und nirgendwo anders. Es lässt sich weder heraufbeschwören noch erzwingen, braucht so viel und gleichzeitig so wenig und ist sich immer selbst genug.
Würden wir es wieder tun? UNBEDINGT, schließlich sind wir nach 7 Tagen mit einem vor Glück schweren Herzen und so ausgeruht und entspannt wie schon lange nicht mehr abgereist. Der Abschied fiel schwer, und noch am Vorabend standen wir kurz vor der Entscheidung die folgenden 3 Tage schwedisches Großstadtabenteuer abzusagen und stattdessen lieber noch ein bisschen Bullerbü-Gefühl in der Villa Vilan zu genießen.
Weil auf unser erstes Weihnachten in Schweden ein erstes ziemlich hygelliges Silvester folgte, werde ich Euch auch diese Geschichte schon bald im zweiten Teil meiner Schweden-Reihe erzählen.
Ich hoffe ich konnte Euch ein wenig mitnehmen in unser schwedisches Weihnachten und Ihr hattet Freude beim Lesen!
Allerliebste Grüße und bis zum nächsten Mal,
Birgit
Ulla says
Was für ein toller Bericht. Da bekommt man direkt Lust es euch nachzumachen.
Herzlichst Ulla
Tanja says
Danke für diesen gefühlvollen Bericht und Deine wunderbaren Worte!
Wenn Weihnachten nicht in unseren Herzen ist, dann ist es nirgendwo!
Glg Tanja
Magdalene says
Liebe Birgit, was für ein toller Erlebnisbericht. Bei deinen Erzählungen hat man immer das Gefühl ein wenig mit dabei zu sein und alles mitzuerleben. Bis ins kleinste Detail spürt man die Wärme und Ausstrahlung eurer Weihnachtsferien in Schweden. Wie in den Astrid Lindgren Büchern. Einfach nur schön✨!
Ich freue mich schon auf deinen Silvester Bericht☺️.
Liebe Grüße Magdalene
Sandra says
Liebe Birgit.
Dein Blog kam genau zur richtigen Zeit. Seit Wochen hatten wir als Familie nach einem Reiseziel für den Sommer 2018 gesucht. Eigentlich wollten wir auf die italienische Insel Sardinen, doch alle unsere Bemühungen stießen auf überteuerte oder ausgebuchte Unterkünfte. Als ich meinem Mann von „Deinem“ Schwedenhaus erzählt habe kam sofort „Dann lass uns nach Schweden fahren“. Schweden kennen wir schon und freuen uns nun riesig wieder dorthin zu kommen. Wir haben „euer“ Haus gebucht und unsere Jungs sind schon so gespannt auf den Bauernhof, den deine Mädchen ja auch so schön fanden.
Herzlichen Dank.