Es gibt einen Ort, an den es mich schon seit vielen, vielen Jahren regelmäßig hinzieht, sodass ich mir kaum einen Sommer ohne vorstellen könnte. Ein Ort voller Unbeschwertheit, Freude und grenzenloser Lust am Leben, mein kleines Bullerbü. Seit ich als Kind zum ersten Mal hier war, hat mich dieses Gefühl nicht mehr losgelassen, auch wenn ich erst Mama werden musste, um nach einer längeren Pause wieder hierhin zurückzufinden.
Heute möchte ich Dich einladen, mit mir in Astrid Lindgrens Welt nach Vimmerby zu reisen. Einen ganzen Tag lang nehme ich Dich mit durch diese wunderschön heile Welt, um Dir nicht nur zu zeigen, sondern Dich auch ein wenig fühlen zu lassen, warum ich dieses kleine Fleckchen Erde so sehr liebe. Bist Du bereit?
Der Morgen in Vimmerby beginnt für uns im Pfarrhaus, einem der zahlreichen Ferienunterkünfte der Astrid Lindgrens Värld. Schon beim Betreten des mittlerweile gar nicht mehr so kleinen Feriendorfes betritt man eine eigene kleine Welt, in der die Zeit auf wunderbare Weise stehen geblieben zu sein scheint. Nach dem Vorbild der Kleinstadt Vimmerby wie sie im frühen 20. Jahrhundert ausgesehen haben mag, wurden kleine kopfsteingepflasterte Sackgassen und Plätze angelegt, um die sich kleine Häuser scharen, die in echter schwedischer Handwerkstradition liebevoll gebaut und eingerichtet sind. Neben altmodischen eingeschossigen Stadthäusern finden sich auch viele kleine Holzhütten, schnuckelige Einfamilienhäuser und mondäne schwedische Stadtvillen in der winzigen kleinen Stadt.
Unser kleines Pfarrhaus ist sehr stilecht und bietet mit seinen 60 Quadratmetern jede Menge Platz für uns Vier (plus Hund). Nach dem Frühstück unter der hell strahlenden schwedischen Sonne machen wir uns auf den Weg in den Park. Vorbei an den kleinen Ferienhäusern, idyllisch angelegten Bauerngärten und zahlreichen Spielplätzen geht es direkt in die Astrid Lindgrens Värld, einem traditionsreichen und sehr modernen Theaterpark in der Heimatstadt der weltberühmten Kinderbuchautorin.
Mehr als 70 Bücher hat Astrid Lindgren geschrieben, die in insgesamt 60 Sprachen übersetzt wurden. Mit Sicherheit kennst auch Du einige davon, oder? Hier an diesem Ort, an dem die junge Astrid einst mit ihren Geschwistern durch den Garten tobte, werden viele dieser wunderschönen Geschichten wieder lebendig.
Nachdem man den Eingang passiert hat, beginnt der kleine Spaziergang durch die Krachmacherstrasse, dem Ort an dem die kleine Lotta mit ihrem roten Fahrrad auf und ab fuhr. Weiter geht es vorbei an dem Stadshuset Vimmerby (Rathaus) und weiter bis zu der Gabelung, an der wir uns nun dafür entscheiden müssen, welchem der vielen Helden unserer Kindheit wir zuallererst ‚Hallo‘ sagen möchte.
Die Entscheidung fällt, wie eigentlich jedes Jahr, auf Ronja Räubertochter. Abseits des Trubels hinter einem kleinen Wald aus riesengroßen Bäumen landet man mitten im idyllischen Mattiswald. Dort steht die imposante Mattisburg und lädt schon zur ersten Freilichttheater-Vorstellung ein: Ronjas Geburt. Ganz egal wie oft ich diese Vorstellung schon gesehen habe, der unverwechselbare Klang der betörend schönen Räubergesänge berührt mich jedes Jahr so, so sehr, dass schon nach wenigen Minuten das erste Tranchen der Rührung kullert.
Nach der Vorstellung auf der Mattisburg geht es gleich weiter ins Nachbartal. Dort erzählen Jonathan und sein kleiner Bruder Krümel die traurig-schöne Geschichte der Gebrüder Löwenherz. Genau hier wird unser Theaterparktag auch enden, wenn nämlich am frühen Abend die Freiheitshymne im Heckenrosenthal erklingt und ein langer, erlebnisreicher Tag damit zu Ende geht. Auch das ist bereits seit Jahren eines unserer sehr leibgewonnenen Park-Rituale.
Das schauspielerische Talent der hingebungsvollen Darsteller, die detailverliebten Requisiten und nicht zuletzt die unverwechselbaren Geschichten aus Astrid Lindgrens Feder sind jedes Jahr aufs so wunderschön erzählt, sodass man sich gar nicht daran sattsehen kann. Zwischen den verschiedenen Vorstellungen bleibt genügend Zeit um durch das traumhafte Park-Areal zu spazieren, die blühenden Gärten zu bewundern und Madita & Co. ‚Hallo‘ zu sagen.
Mittags lieben wir es im Restaurant Stadsmästargarden einzukehren und sich eine traditionell zubereite Portion schwedischer Köttbullar, Hackbällchen mit Kartoffelbrei, Sahnesauce und hausgemachtem Preiselbeerkompott, zu gönnen. Das Essen ist köstlich, die Atmosphäre einladend und manchmal sogar von Livemusik begleitet und gut gestärkt sind wir danach bereit für den Nachmittag in der Astrid Lindgrens Värld. Wer keine Lust auf smaländische Küche hat: hier gibt es noch 4 weitere Restaurants in die man einkehren kann und so ist jede Menge kulinarische Abwechslung geboten.
Jedes Jahr aufs Neue beobachte ich mit einem breiten Lächeln im Gesicht übrigens Folgendes: Kleine werden hier plötzlich ganz groß und Große wieder ganz klein. Auf wundersame Art und Weise verschwimmen scheinbar die Grenzen zwischen Geschichte und Wirklichkeit, zwischen Theater und Spiel und man wird selbst zum Teil der Erzählung. Ein großartiges Erlebnis wovon ich seit meiner Kindheit nicht genug bekommen kann! Dass alle Vorstellungen in schwedischer Sprache stattfinden ist nach kürzester Zeit übrigens total irrelevant, denn hier wird mit dem Herzen gehört.
Nachdem wir nach dem köstlichen Mittagessen noch Pipi Langstrumpf dabei zugesehen haben, wie sie in der Villa Kunterbunt Fangen mit den Polizisten spielt geht es weiter zur kleinen Bühne. Die eher unauffällige Theaterbühne steht zwar mitten im Park, wird aber dennoch leicht übersehen. Für mich ist sie aber definitiv ein kleiner Geheimtipp, denn hier gibt es die wunderschönsten musikalischen Darbietungen von Rasmus und seinen Landstreicher-Freunden, übrigens mit asoluter Ohrwurm-Garantie. Am besten holt man sich gleich eine warme Waffel und ein Getränk an einem der Nachbarstände und macht es sich auf den Rängen der kleinen Bühne gemütlich – es lohnt sich!
Danach gehts gleich weiter durch die kleinen Gassen und ich liebe es, das man das seltsam behagliche Gefühl von Freiheit und Geborgenheit, welches man schon aus Astrid Lindgrens Kinderbüchern kennt, hier beim Spazierengehen ganz deutlich spüren kann. Es kriecht aus jeder Ritze heraus und ehe man sich versieht trägt es einen auf der zuckersüßesten aller Wattewolken mit sich davon. Das Leben der erwachsenen Astrid Lindgren war oft von großem Kummer bestimmt, und so träumte sie sich so oft es ging nach Vimmerby zurück. Hier hatte sie genau die Bullerbü-Kindheit, von der sie in all ihren Geschichten immer und immer wieder erzählte. Und mag sein, dass genau dies der Grund ist, warum man heute dieses schöne Gefühl hier so deutlich spüren kann.
Für mich ist ein Tag im Park jedes Jahr aufs Neue ein kleines emotionales Vollbad. Alles hier fühlt sich nach Zeitreise zurück in die allerschönsten Kindheitserinnerungen an und hier spüre ich jedes Mal die tröstende und entspannende Wirkung der Nostalgie. Wie eine warme, weiche Decke legt sie sich um meine Schultern und schenkt mir das wunderbare Gefühl von Geborgenheit und Glück. Einfach so. Ein traumhaftes Gefühl!
Mit einer Handvoll Krumelurpiller, Astrid Lindgrens Pillen gegen das Größerwerden, aus einem der kleinen Süßigkeitenläden, treten wir am späten Nachmittag langsam den Rückweg durch den Park an. Letzte Station ist die Krachmacherstraße, das Zuhause von Lotta und ihrer Familie sowie der lieben Tante Berg, bei der Lotta so oft ein und ausgeht.
Wenn man durch die Häuser der Krachmacherstrasse spaziert ist es fast so, also ob Lotta gerade eben ihr Zimmer verlassen hat. Auf dem Tisch liegen noch Perlen und ein paar Spielsachen und im Garten vor dem Haus, steht das rote Fahrrad, das sie sich so sehnlichst zum fünften Geburtstag gewünscht hatte.
Nebenan wohnt Tante Berg, Lottas freundliche Nachbarin, und auch durch ihr Haus darf man als Besucher spazieren. Im Eingang hängen Jacke und Hut der liebenswürdigen alten Dame, in der Küche stehen die köstlichen Zimtschnecken noch auf dem Tisch und im Wohnzimmer liegt sogar Tante Bergs Strickzeug, genauso also ob sie nur mal eben für wenigen Minuten verschwunden sei und gleich zurückkehren würde.
Nach ein paar Losen von dem Rummelständen am Ende der Krachmacherstrasse und einem Bummel durch die Souvenirläden tanzen wir müde aber sehr glücklich – und begleitet von Livemusik – am frühen Abend aus dem Park.
Was für ein wunderbarer Tag und wieder einmal stellen wir fest, dass man sich hier an nichts sattsehen kann. Und kaum aus dem Park, steht eines schon wieder fest: auch im nächsten Jahr wollen wir ganz sicher wieder hierher zurückkehren.
Im Feriendorf genießen wir noch einen schönen, sommerlichen Grillabend mit Freunden, erzählen uns von unseren Park-Highlights, singen die Lieder und feiern das Leben.
Auch wenn unsere Kinder vielleicht schon bald dem Alter entwachsen sein werden, in dem sie sich an den Geschichten von Astrid Lindgren erfreuen, steht für meinen Mann und mich eines felsenfest: egal wie alt wir sind, wir werden trotzdem immer wieder hierher zurückkehren. Wahrscheinlich schon bald nur zu zweit und irgendwann dann vielleicht mit unseren Enkelkindern. Oh, wie schön das wird! Bis dahin gönnen wir uns einfach ausreichend Krummelus-Pillen und hoffen, dass wir niemals verlernen wie Kinder zu staunen und uns von den wunderschönen Geschichten von Astrid Lindgren tief im Herzen berühren zu lassen.
Ein schöner, langer Tag im kleinen Städtchen Vimmerby geht zu Ende und ich hoffe Du hast unseren kleinen Spaziergang durch Astrid Lindgrens Welt genossen.
Schön, dass Du dabei warst und ich hoffe wir lesen uns bald wieder.
Alles Liebe,
Birgit
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