Mit Mitte zwanzig zog es mich für knapp zwei Jahre in die weite Welt, genauer gesagt an die Ostküste der USA, nach Philadelphia. In dieser Zeit habe ich mein allererstes Challah gegessen. Ich kann mich heute noch an den locker fluffigen Geschmack des milden Weißbrotes erinnern, es erinnerte mich an deutschen Hefezopf und schmeckte doch irgendwie ganz anders. Besonders liebte ich das Challahbrot in dieser Zeit dünn mit etwas Butter und Himbeermarmelade bestrichen. Himmlisch.
Nach meiner Rückkehr nach Deutschland geriet meine Challahbrot-Liebe ziemlich in Vergessenheit und seitdem habe ich es nicht mehr gegessen, keine Ahnung warum. In Deutschland ist das jüdische Shabbat-Brot eher selten zu finden und auf die Idee es selbst zu backen bin ich nie gekommen. Bis letzte Woche zumindest, denn da blätterte ich durch ein neues Kochbuch und verlor mich einen ganzen Abend lang komplett darin. Wie einen guten Roman konnte ich es stundenlang nicht aus der Hand legen und als ich auf Seite 78 angekommen war, kullerten die Tränen…
„Die Geschichte beginnt mit einem Huhn – Rezepte für die es sich zu leben lohnt“ von Ella Risbridger ist auf den ersten Blick ein gewöhnliches Kochbuch mit einem fröhlichen, bunten Cover. Auf den zweiten, dritten und vierten Blick ist dieses Buch aber eines der außergewöhnlichsten Kochbücher das ich jemals gelesen habe.
Hintergrund des Buches: als die junge Britin Ella so sehr von Depressionen geplagt wird, dass sie beschließt nicht mehr weiterleben zu wollen, beginnt sie damit, sich wieder zurück ins Leben zu kochen. Schritt für Schritt, Rezept für Rezept sammelt sich jede Menge kulinarische Gründe dafür, warum es sich zu leben lohnt und trotzt damit all den dunklen Stürmen und grauen Wolken, die ihr Leben manchmal schmerzhaft dunkel machen.
Geröstete Knoblauch-Tomaten- Suppe, frische Chili-Zitronen-Spaghetti, der beste Apfelkuchen der Welt oder Challabrot – jedes einzelne dieser Rezepte ist so emotional und berührend aufgeschrieben, dass es einen bis ins Knochmark berührt und trotz der mitschwingenden Melancholie das Leben gleichzeitig so wunderbar hochleben lässt.
Als ich auf Seite 78 las, wie Ella Risbridger nach einem Weg suchte um um ihren verstorbenen Großvater zu trauern, und dies mit dem Backen von Challabrot tat, zeriss es mir fast das Herz.
„Die Regeln fürs Trauern standen irgendwo geschrieben, wo ich sie nicht sehen konnte, doch die Regeln fürs Brotbacken kannte ich. Ich wusste nicht, wie man trauert, doch ich wusste, wie man Brot bäckt. Einen Challazopf mit sechs Strängen: den Zorn hineinkneten, in Trauer aufgehen, flechten, um in alledem ein Muster zu finden. Ich glaube, ich brauchte einfach eine händische Beschäftigung. Nie habe ich ein besseres Mittel gegen diese Art von Kummer gefunden, als Brot zu flechten. Ich komme immer auf dieses spezielle Rezept zurück, wenn ich aufgewühlt oder durcheinander bin, weil es gerade kompliziert genug ist, um Geist und Händen etwas zu tun zu geben.“
Weil sich viele ihrer Rezepte wie kleine Kurzgeschichten lesen, brauchen sie nicht selten mal 4 – 6 Seiten um beschrieben zu werden. Dafür sind die Anleitungen aber so wunderbar anschaulich und holen auch verunsicherte Kochanfänger wunderbar ab. Auch wenn ich es liebe Brote aller Art zu backen, habe ich noch nie einen Zopf mit sechs Strängen gebacken. Alle Tutorials zum Flechten von Hefezöpfen mit mehr als 3 Strängen ließen mich hinterher nur mit noch mehr Fragezeichen im Kopf zurück, mit Ella’s Anleitung war das Flechten ein Kinderspiel.
Challabrot
Die Zutaten:
1 Pck. Trockenhefe (oder 1/2 Würfel frische Hefe)
250 ml lauwarmes Wasser
40 g Zucker
625 g Weizenmehl (550er)
2 TL Salz
3 Eier
4 EL neutrales Speiseöl
Und so gehts:
Lauwarmes Wasser in eine Schüssel geben, Hefe und eine Prise Zucker dazugeben und miteinander verrühren. 10 Minuten ruhen lassen.
Mehl, Salz und den Rest des Zuckers in eine Schüssel geben und miteinander vermengen.
Eine kleine Kuhle in die Mitte des Mehls drücken und zwei der Eier hineinschlagen. Das dritte Ei trennen und den Dotter zum Mehl hinzugeben. Das Eiweiß für den Anstrich beiseite stellen.
Öl und Hefewasser zu der Mehlmischung geben und alles zu einem zähen Teig verkneten (gerne mit der Küchenmaschine oder dem Handrührer).
Sobald der Teig beginnt sich vom Schüsselrand zu lösen ist er fertig. Teig in eine eigefettete Schüssel geben, abdecken und etwa 1 Stunde an einem warmen Ort gehen lassen bis er sein Volumen verdoppelt hat.
Teig anschließend auf eine bemehlte Fläche geben und in 6 gleichmäßige Stücke teilen. Jedes Teigstück zu einem langen, dünnen Strang rollen.
Die 6 Teigstränge nebeneinander legen, oben zusammendrücken und zu einem Zopf flechten.
Geflochten wird folgendermaßen: Den Strang ganz rechts nehmen, über zwei Stränge führen, dann unter einem und abermals über zwei, sodass er ganz links zum Liegen kommt. Das Ganze wird wird so lange wiederholt bis alle Stränge verflochten sind, d.h. jedes Mal mit dem ganz rechts liegenden Strang beginnen usw. (siehe Foto!) Die Flechtprozedur klingt kompliziert, das ist sie aber gar nicht. Am besten einfach ausprobieren!
Die Zopfstränge am Ende wieder zusammendrücken und die Enden etwas nach unten schlagen. Den Zopf auf ein mit Backpapier belegtes Bachblech legen, abdecken und nochmals etwa 1 Stunde gehen lassen. Währendessen den Backofen auf 175 Grad vorheizen. Den Zopf kurz vor dem Backen mit dem zurückbehaltenen Eiweiß und 1 TL Wasser bestreichen und etwa 30 Minuten goldbraun backen.
Das Backergebnis war wunderbar, auch wenn ich den Zopf vermutlich etwas zu locker geflochten habe, da er etwas ungleichmäßig aufgegangen ist. Geschmeckt hat er wie damals an der Ostküste der USA und es wird sicherlich nicht das letzte Challahbrot sein, dass aus meinem Ofen geschlüpft ist.
„Die Geschichte beginnt mit einem Huhn“ ist ein fantastisches Kochbuch und ich kann es nur jedem ans Herz legen der nicht nur gerne kocht sondern sich auch gerne von den Geschichten hinter den Rezepten berühren lässt. Bei Amazon kann man durch die ersten Seiten des Buches blättern, schaut gerne mal rein.
Ich bin gespannt wie Du das Buch findest und freue mich von Dir zu hören!
Alles Liebe,
Birgit
Iris says
Liebe Birgit, ganz lieben Dank für diesen wunderschönen Blogbeitrag und das Rezept! Mit großem Interesse habe ich Deine Geschichte und die nähere Beschreibung zum Buch „Die Geschichte beginnt mit einem Huhn“ gelesen! Was für schöne Worte und was für ein schönes Ergebnis Deines Challahbrotes! Vielleicht wünsche ich mir das Kochbuch zu Weihnachten 🎄.
Hab lieben Dank für‘s Teilen.
Liebe Grüße Iris
*bee says
So ein schönes Feedback, vielen Dank!
Allerliebste Grüße,
Birgit
Manuela says
Meine Tochter 11 Jahr hat heute das Brot gebacken -Es war ihr erstes Hefe Rezept und dann gleich ein 6 Stränge Zopf. Vielen lieben Dank. Die Kombination Geschichte und Rezept ist ein schönes Konzept. Vielleicht ein Buch beim nächsten Besuch im Buchladen. Bin gespannt wie er Morgen schmeckt. Ich wünsche euch frohe Ostern
Nicole says
Hallo,
auf der Suche nach einem endlich Mal leckeren Hefezopfrezept bin ich auf deiner Seite gelandet und von Rezept zu Rezept gewandert. Ich bin echt begeistert von deiner Seite und das Kochbuch hat mich gleich so interessiert, ich musste es mir gleich bestellen und freue mich sehr darauf. LG
*bee says
Viel Freude mit dem Buch!
LG, Birgit