Mitte Oktober meinte der liebe Gott es so richtig gut mit mir, denn eines grauen Tages holte er mich aus meinem tiefen, verregneten Herbstloch und schickte mich auf die Reise. Und als ob ein paar Tage Wegsein nicht schon phänomenal genug gewesen wäre, hatte er am Reiseziel auch noch die Sonne für mich angeknipst, mir ein paar wunderbare Reisebegleiterinnen zur Seite gestellt und uns allen jede Menge weitere Gelegenheiten geboten, um auf das gute Leben anzustoßen.
Im Rahmen der Kampagne So geht Sächsisch. durfte ich mit sechs Bloggerinnen einWochenende lang die Sächsische Weinstrasse rund um Meißen erkunden und erschmecken. Von den 13 deutschen Weinregionen gehört das Weinanbaugebiet Sachsen zwar zu den kleinsten, bietet aber ganz ausgezeichnete geografische und klimatische Bedingungen für die Entstehung von gutem Wein. All das ist nicht neu, immerhin werden hier schon seit über 850 Jahren Reben gehegt und gepflegt. Und trotzdem wissen noch zu wenige von all den wunderbaren und leidenschaftlichen sächsischen Winzern und ihren großartigen Weinen.
Das Besondere am sächsischen Weinbau sind die vielen Weinberge in Steillage. Der verwitterte, terrassenähnliche Granitboden speichert die Wärme optimal und gibt sie später an die Reben ab, so dass sich die Reben ähnlich wohl fühlen wie sie das beispielsweise in einer großen Weinregion wie Südtirol tun. Weil die besondere Hanglage die Arbeit mit Traktoren und Raupen aber kaum möglich macht, werden hier noch überdurchschnittlich viele Arbeitsschritte noch mit der Hand gemacht. Das braucht Zeit und kostet jede Menge Kraft und Energie, Herzblut dass man aus diesen Weinen zweifelsfrei herausschmeckt.
Wohnen im Weinberg
Erste Station unserer Genussreise entlang der Sächsischen Weinstrasse: das Weingut Mariaberg in Meißen. Hier dürfen wir nicht nur die erste Weinverkostung genießen, sondern auch noch für die nächsten 3 Tage mitten in einem der vielen wunderschönen Weinberge wohnen. Möglich macht das Anja Fritz, Steillagenwinzerin, ehemalige Weinprinzessin, Gastgeberin und sympathisches Energiebündel.
Als Anja Fritz sich vor etwa 13 Jahren in Meißen niederließ, hatte sie mit Wein noch nicht viel am Hut. Mit ihrem damaligen Mann kaufte die ausgebildete Wirtschaftsassistentin ein typisches Weinberghaus mit Walmdach weil sie davon träumte etwas Außergewöhnliches zu tun und ein Nest für sich und den baldigen Nachwuchs zu bauen. Mit dem Haus trat auch ein neues Hobby in ihr Leben, schließlich gehörten etwa 600 Rebstöcke zum Grundstück und die wollte Anja Fritz keinesfalls sich selbst überlassen. Mit der Hilfe von alteingesessenen Winzern lernte sie alles über Rebschnitt, Weinlese und das Pressen der Trauen und so kam mit den Jahren eins zum anderen.
Heute hat die quirlige Winzerin ihr Hobby zum Beruf gemacht und produziert einige wunderbar frische und feinfruchtige Weine. Daneben bietet sie regelmäßig informative Weinwanderungen an, begrüßt jedes Jahr zahlreiche Gäste in einer ihrer schönen Ferienwohnungen und setzt sich mit großem Engagement für die Region ein.
Wein ohne Wenn und Aber
Unsere geführte Weinbergswanderung am Morgen des zweiten Tages bringt uns vorbei an alten Hofgütern zu beeindruckenden Aussichtsplatteaus und idyllischen Plätzen direkt zum Weingut Schuh in Coswig. Untergebracht auf einem ehemaligen Bauernhof mit liebevoll restaurierte Fachwerkhaus und angrenzendem, denkmalgeschützten Dreiseitenhof sind schon allein all diese wunderbaren Gebäude und der idyllische Hof einen Besuch wert.
Die Winzerkinder Katharina Pollmer (ehemals Schuh) und Matthias Schuh führen seit letztem Jahr das Weingut des Vaters mit sehr viel Leidenschaft und Liebe zum Wein. Während Winzer Matthias für ideale Voraussetzungen im Weinberg sorgt, kümmert sich Katharina um Verkauf, Buchhaltung, Weinverkostungen und den Betrieb der zugehörigen Vinothek.
Es weht ein angenehm frischer Wind durch das Weingut Schuh. Tradition und moderne Kellerei gehen Hand in Hand, die Rebflächen werden so naturnah wie möglich bewirtschaftet, die Weine bekommen genügend Zeit um zu reifen und nicht umsonst wurde Jung-Winzer Matthias Schuh bereits 2012 der Titel „Bester Nachwuchswinzer Europas“ verliehen. Der Wein schmeckt vorzüglich und herrlich frech. Zu meinen beiden Favoriten der Weinverkostung gehörten übrigens diese beiden Weine: Der Weisse Schuh sowie der prickelnde Schieler Secco.
Europas erstes Erlebnisweingut
Den Nachmittag verbringen mir bei strahlendem Sonnenschein auf dem Sächsischen Staatsweingut Schloss Wackerbarth bei Radebeul. Hier trafen sich schon zur Zeit von August dem Starken Genießer von nah und fern. Die barocke Schloss- und Gartenanlage in der früher Grafen residierten und der Hofstaat rauschende Feste feierte, hat sich in den letzten Jahren zu einer hochmodernen Sekt- und Weinmanufaktur entwickelt. Auf Europas erstem Erlebnisweingut können Besucher nun täglich sächsische Lebensart genießen und an einer der zahlreichen Führungen, Weinverkostungen, Veranstaltungen oder Festen teilnehmen.
Bei unserem Besuch hat sich Schloss Wackerbarth von seiner allerbesten Seite gezeigt. Die angrenzenden Weinberge leuchteten in den wunderschönsten Goldtönen, die warme Herbstsonne lockte viele Besucher zu Wein oder Kaffee & Kuchen in den Schlossgarten und beim Spaziergang durch die Reben durften wir bei strahlendblauem Himmel einen umwerfenden Panoramablick ins sächsische Elbtal genießen.
SlowFood in der Dresdner Neustadt
Voll mit Eindrücken und Momenten des Genusses beendeten wir den Tag im Restaurant Daniel im Dresdner Barockviertel, der Inneren Neustadt. Dort begrüßt Daniel Frischer seit 2013 seine Gäste in einem heimeligen und gleichzeitig modern gestalteten Gewölberestaurant. Nachdem er sich zuvor einmal quer durch Deutschland und die Schweiz kochte und anschließend 13 Jahre lang angehenden Kochlöffelschwingern an der Hotelfachschule in Dresden die hohe Kunst der feinen Speisenzubereitung beigebracht hatte, wurde es Zeit sich endlich den Traum vom eigenen Restaurant zu erfüllen. Dort serviert er nun pure Lebensfreude und Wohlbefinden auf blütenweißen Tellern. An diesem Abend kamen wir in den Genuss eines 3-Gänge-Menüs, und es ist wohl nur verständlich, dass Gerichte wie „Limetten-Panacotta mit Traubengelee, Bernsteinquitten und Ananassorbet“ mich mit jedem einzelnen Löffel immer noch ein klein wenig höher auf die kulinarische Wolke 7 beförderten, oder? Regionale Zutaten, deren raffinierte und natürliche Zubereitung und eine Küche die auf Schnörkel und Tamtam verzichtet und stattdessen sagenhaft ursprünglich und kompromisslos lecker ist. Absolut großartig!
Ein Besuch bei den Porzellanmachern
Kein Meißen ohne MEISSEN, ist es doch meist die allererste Assoziation die man mit Stadt und Gegend verbindet, oder? Das kleinste Bergwerk Europas, ein streng gehütetes Farblaboratorium und mehr als 700.000 Formen sowie die langjährige Erfahrung der Mitarbeiter sind auch heute noch eines der Erfolgsgeheimnisse der Porzellanmanufaktur MEISSEN. Hier wurde das europäische Hartporzellan erfunden und die gekreuzten blauen Schwerter gelten als die älteste Marke Deutschlands.
Wir beginnen also den Morgen ganz stilecht mit einem Frühstück auf Meissener Porzellan im hübschen Café, dass sich direkt am Eingangsbereich der Erlebniswelt MEISSEN befindet. Im lockeren Plausch mit unserer beeindruckend bewanderten Gästeführerin Beate Debernitz erfahren wir bei Kaffee, Häppchen und MEISSEN-Torte allerhand Interessantes und Ungeahntes aus der Welt des Porzellan und der gehobenen Tischkultur.
Und auch in diesem Stückchen Sächsischer Geschichte taucht er wieder auf: August der Starke. Einem seiner Alchemisten gelang nämlich vor über 300 Jahren mehr oder weniger zufällig die Herstellung von Hartporzellan. Der Import desselbigen hatte nämlich seit dem 16. Jahrhundert eine große Euphorie in Europa ausgelöst, und so gründete August der Starke schon bald die erste Prozellanmanufaktur Europas in der Meißener Albrechtsburg.
Heute verbindet die weltbekannte Porzellanmanufaktur die feine Handwerkskunst der Vergangenheit und Gegenwart mit Shopping und Genuss und lässt MEISSEN so für große und kleine Besucher erlebbar machen. Führungen, zahlreiche Veranstaltungen oder Events wie der Weihnachtsmarkt MEISSEN bringen einem die große Kunst der Porzellanherstellung nahe. Bei einem Rundgang durch die Schauwerkstätten hat man die Gelegenheit den Mitarbeitern bei ihrer filigranen und beinahe schon meditativ anmutenden Arbeit zuzusehen. Genauso wie vor 300 Jahren ist hier die menschliche Hand immer noch das wichtigsten Werkzeug, was den Preis dieser hohen Handarbeitskunst damit irgendwie ganz von allein und selbstverständlich rechtfertigt.
In der Porzellanmanufaktur bekommt man so einige schöne Geschichten zu den Exponaten zu hören, und ich hätte wohl noch stundenlang weiter durch das Museum spazieren können um zu stauen und ganz nebenbei den Worten unserer Gästeführerin zuzuhören. Eines der Exponate hat sich ganz besonders in meine Erinnerung eingebrannt, weil es so ungewöhnlich und zauberhaft schön ist…
Das entzückende Mädchen hier heißt Hertha. Hertha war die Tochter des damaligen Leiters der Gestaltungsabteilung der Porzellanmanufaktur, Erich Hösel, und lebte etwa um die Jahrhundertwende. Hösel hatte das besondere Privileg erhalten neben seiner gewöhnlichen Tätigkeit auch für sich selbst künstlerisch tätig sein zu dürfen. Als Ausgleich dass er Material und Einrichtungen der Manufaktur nutzen durfte, musste er MEISSEN jeweils ein Doppel seiner Arbeit überlassen. Solche Arbeiten schafften es zwar nicht ins Sortiment, boten engagierten Mitarbeitern wie Erich Hösel aber die Möglichkeit zu experimentieren, sich kreativ auszuleben und weiterzuentwickeln. Hach, lässt so eine schöne Geschichte so ein Kunstwerk nicht automatisch noch schöner erstrahlen?
Zum Abschluss: mit dem Oldtimer durchs WeinReich
Die besten Ideen entstehen wohl bei einem Gläschen Wein. Zumindest bei Weinkönigin Katharina Lai war das so. Unterwegs in Südafrika war sie fasziniert in die Idee von einem charmanten Oldtimerbus, der Touristen von Weingut zu Weingut fuhr. Wieder zuhause angekommen war die Idee für den ‚Goldriesling-Express‚ geboren, und so kamen nun auch wir in den wunderbaren Genuss einer fröhlichen Fahrt entlang der Sächsischen Weinstrasse.
Weil Katharina Lai nicht nur als Winzerin und Weinkönigin mit dem Wein verbunden ist, sondern ihr auch Gastlichkeit sehr am Herzen liegt, hat sie in einem ehemaligen Pferdestall des Rittergutes von Schloss Seußlitz ein wunderbares Kleinod zum Leben erweckt. Nach mühsamer und liebevoller Restaurierung, viel davon übrigens in beeindruckender Eigenregie, erstrahlt das geschichtsträchtige Gemäuer nun seit einem Jahr in neuem Glanz. Im ‚WeinReich‘ kann an sich genüsslich mit einem Glas sächsischen Wein niederlassen, dazu eine köstliche Kleinigkeit essen und das behagliche Ambiente genießen.
Wer Lust hat an diesem schönen Fleckchen Erde ein bisschen länger zu bleiben: Katharina Lai besitzt auch ein überaus entzückendes Ferienhaus unterhalb der Heinrichsburg und direkt gegenüber vom Seußlitzer Schloss und der Schlosskirche, und den Bildern zu folge lässt es sich auch dort ganz wunderbar aushalten.
Am Ende dieser kleinen Kurzreise stand für mich eines fest: wie entzückend sie doch ist, Deutschlands kleinste Weinanbauregion. Und was für wunderbare Menschen hier leben, mit großartigen Ideen, einer ansteckenden Energie und Aufbruchstimmung und vielen offenen Türen. Das ein oder andere Scheibchen davon sollten wir uns hin und wieder alle mal abschneiden.
Darauf ein Gläschen wunderbaren sächsischen Wein! Prost!
Allerliebst Grüße,
Birgit
Dieser Beitrag entstand in Kooperation mit So geht Sächsisch. Meine Meinung ist, wie immer, meine eigene.
Vielen Dank auch an meine partners in crime Tine, Mel, Aileen, Petra, Mel , Anja und Manuela für dieses wunderbare Reiseerlebnis.
Anja says
Meine liebe Birgit,
…Dein Post beamt mich direkt zurück! Freut mich sehr, wenn ich ein bisschen Elbtal-Liebe weitergeben konnte :-)!
Schön, dass Du dabei warst.
Auf bald liebe Grüße
Anja