…und mit Musik hat das wenig zu tun. Nein, mein „Winter unplugged“ ist wortwörtlich gemeint, denn ich habe mir fest vorgenommen demnächst öfter mal den Stecker zu ziehen: vom Fernseher, Telefon, Handy,… Ich lebe gerne in der Smartphone-Ära, mein iPhone erleichtert mir den Alltag oft in vielerlei Hinsicht: Erreichbarkeit wann immer ich mag, es ersetzt mir meinen mangelnden Orientierungssinn, eine wichtige Email kann notfalls auch mal vom Spielplatz verschickt werden und dank der Kamera füllen sich unsere Fotoalben (na ja, eher die Festplatte) mit den lustigsten Schnappschüssen!
Aber ich habe festgestellt, dass ich auch gerne mal aus dieser Allzeit-Bereit-Welt herausfalle. Wenn mir manchmal alles zuviel ist, weil ich mal wieder 5 Dinge auf einmal erledigen will, dann ziehe ich in der letzten Zeit gerne mal den Stecker. Das Smartphone wird ruhiggestellt (oder gleich daheimgelassen!), am Telefon regiert der zuverlässige Anrufbeantworter und der Fernseher kann mich mal. Stattdessen schnappe ich mir ein Buch, lehne mich zurück und beame mich, wenn auch nur für ein paar wenige Minuten, in eine andere Welt. Das ist so unglaublich entspannend und tut im hektischen Familienalltag unendlich gut…
Sicherlich kennst du dieses Gefühl auch, und vielleicht ist dir auch mal nach abtauchen und aufatmen. Ja? Dann habe ich jetzt genau das Richtige für Dich: nach den 5-Herbst-Lesetipps sind jetzt 5 neue Bücher am Start. 5 mal Lesevergnügen für ganz viel Entspannung an turbulenten, kalten Wintertagen…
Irgendjemand hat mal diesen schönen Spruch gesagt: „Ein Buch ist wie ein Garten, den man in seiner Tasche trägt.“ Ich besuche diesen Hosentaschen-Garten wann immer es mir möglich ist. Mal wochenlang gar nicht und mal halte ich mich täglich darin auf. Der Bücher-Garten ist mindestens so erholsam wie das echte Grün, und immer verfügbar – egal ob Sommer oder Winter.
Heute möchte ich dir meine Lieblings-Lesetipps für den Winter vorstellen…
Den Anfang macht das literarische Debüt von Moderatorin Sabine Heinrich. In „Sehnsucht ist ein Notfall“ (KiWi Verlag) erzählt sie die Geschichte von 2 wunderbar gezeichneten Hauptfiguren. Eva, 33 Jahre alt, Physiotherapeutin, lebt in einer langjährigen Beziehung aus der eigentlich die Luft raus ist, und verliebt sich im Sturm in Tobias, den Vater eines kleinen Patienten. Als ihre geliebte Oma ihr dann am Silvesterabend verkündet dass sie nach über 60 Jahren Ehe Opa verlässt, beschließen beide abzuhauen. Mit dem Auto gehts nach Italien, und die großen Fragen des Lebens kommen auf: Wieviele Kompromisse verträgt die Liebe (ja, ja die Kinderfrage)? Wer bin ich? Und wo soll es eigentlich hingehen?
Sabine Heinrich hat die Reise selbst gemacht. Um keinen Unfug zu erzählen und den Trip ihrer beiden Hauptfiguren ein klein wenig nachzuempfinden, ist sie im Januar mit dem Auto von Köln über Mailand bis nach Elba gefahren. Und obwohl die Großmutter der Autorin im echten Leben tatsächlich ihren Mann nach über 60 Jahren Ehe verlassen hat, ist nur die erste Seite dieses Buches autobiografisch. Das Buch ist eine Road-Novel mit einem herzzerreißenden Ende. Mit ihrem wunderbaren Schreibstil gelingt es Sabine Heinrich den Leser die Emotionen der Reise miterleben zu lassen, und trotzdem kommt das Buch weder gefühlsduselig noch bleiern daher. Wunderbar – bitte mehr davon!
Weiter geht es mit einer romantischen Liebesgeschichte Made in France. Nicolas Barreau, bekannt durch seinen Bestseller „Das Lächeln der Frauen“, ist ein bekennender Romantiker, dem mit seinem poetischen Schreibstil immer wieder kleine Liebes-Roman Wunderwerke gelingen. Meiner Meinung nach ist sein neuestes Buch, „Paris ist immer eine gute Idee“ (Thiele Verlag), sein bislang bestes Buch. Ein bisschen „fabelhafte Welt der Amelie“ gepaart mit einer Prise „Chocolat“ und heraus kommt die bezaubernde Geschichte von Rosalie Laurent auf der Suche nach dem Glück. Als ein bekannter Kinderbuchautor die Postkarten-Illustratorin Rosalie damit beauftragt sein neuestes Kinderbuch zu bebildern, ist die Freude groß. Das Buch erscheint, wird vielgelobt und schließlich im Schaufenster von dem Amerikaner Robert Sherman entdeckt, der sich um eine Geschichte aus Kindertagen beraubt fühlt. Einst hatte seine verstorbene Mutter ihm „Der blaue Tiger“ geschenkt. Sherman erhebt Plagiatsvorwürfe und die Suche nach der Wahrheit beginnt. Obwohl sich das Ende des Buches irgendwann erahnen lässt, bleibt das Lesevergnügen bis zum Ende groß. Was fürs Herz und die perfekte Literatur für einen kalten Wintertag. Ach ja, und die im Buch enthaltene Kinder-Geschichte lässt sich prima den Allerkleinsten vorlesen!
Im nächsten Lesetipp wird das Genre gewechselt – diesmal gehts ab auf die Krimi-Couch. Die fünfjährige Hailey spielt im Garten und verschwindet als ihre Mutter sie für wenige Minuten aus den Augen lässt. Der Polizist Frank Decker begibt sich auf die Suche nach dem kleinen Mädchen. Dies ist gleichzeitig Don Winslows Auftakt zu einer neuen Krimi-Reihe: „Missing. New York“ (Droemer Verlag) ist eine sorgfältig erzählte Geschichte über Kindesentführung, Menschenhandel und Missbrauch. Wer bereits mehrere Winslow-Krimis gelesen hat, dürfte von diesem Buch unter Umständen etwas irritiert sein, es ist stilistisch ganz anders als alle Vorgänger. Für mich ist es das erste Buch des Autors, und ich fand es gut. Geradlinig und schnörkellos wird die polizeiliche Ermittlungsarbeit geschildert. Die kurzen Kapitel in der Ich-Perspektive machen es zu einem Pageturner, der wohldosiert ist. Und so begleitet man gebannt den einsamen Held Frank Decker auf der Suche nach dem verschwundenen Mädchen – ein spannender Kampf gegen die Zeit, der letztendlich sogar zur Lebensaufgabe des Ermittlers wird. Ein unterhaltsamer amerikanischer Krimi, der für bestes Kopfkino sogt.
Der nächste Roman stammt von einer der großen amerikanischen Geschichtenerzählerinnen unserer Zeit, deren Bücher in den USA Pflichtlektüre an Schulen sind, während sie in Deutschland noch ziemlich unbekannt ist. Cynthia Ozycs Roman „Miss Nightingale in Paris“ (Graf Verlag) erschien in den USA bereits vor 4 Jahren unter dem, meiner Meinung nach, wesentlich passenderen Titel „Foreign Bodies“. In diesem Jahr wurde er nun endlich auch ins Deutsche übersetzt. Das Buch ist eine gelungene Variation eines literarischen Klassikers („Die Gesandten“ von Henry James) und erzählt die Geschichte der Lehrerin Beatrice ‚Bea‘ Nightingale, die im Auftrag ihres herrischen Bruders nach Paris reist, um dessen abtrünnigen Sohn Julian wieder zurück nach Amerika zu holen. Julian, dem schwarzen Schaf der Familie geht es dort aber sehr gut; er hat geheiratet, schlägt sich mit diversen Kellner-Jobs durchs Leben und denkt gar nicht daran zurückzukehren. Bea bewegt sich zwischen den rissigen Familienbanden hin und her und fragt sich wie kann Liebe gewonnen oder aber verspielt werden? Der Roman ist eine kluge und sehr anmutig und elegant erzählte Geschichte. Die heute 86-jährige Ozyc versteht es bravurös ihren Figuren unendlich viel Leben einzuhauchen. Das Ergebnis: ein anspruchsvoller und doch kurzweilig zu lesender Roman über das Wesen der Liebe.
Und nun zum krönenden Abschluss: „Die Interessanten“ (Dumont) von Meg Wolitzer, ein 600 Seiten Epos über das Leben selbst. Die Handlung in ein paar wenige Worte zu fassen, fällt mir sehr schwer – es gibt keinen spannenden Plot, Handlung ist das Leben selbst, und was könnte spannender sein? Das Buch hat mich sehr berührt hat. Erzählt wird die Geschichte von 6 Menschen, die sich als Teenager in einem amerikanischen Sommercamp kennenlernen. Im Mittelpunkt steht Julie Jacobsen, aufgrund ihrer ziemlich gewöhnlichen Herkunft, eher eine Außenseiterin in der Runde. Im Ferienlager „Spirit in the Woods“ freundet sie sich mit den „Interessanten“ an, und fortan teilen die sechs viele kleine und große Momente miteinander. Alle fühlen sich zu Höherem berufen, pflegen ihre Talente und träumen von einer goldenen Zukunft. Die Jahre vergehen, aus Kindern werden Erwachsene, Paare finden und trennen sich, es gibt Erfolge, Niederlagen, Kinder werden geboren und im Hintergrund plätschern 40 Jahre amerikanische Geschichte dahin. Das erhoffte privilegierte Leben führt am Ende nur einer der Protagonisten, alle anderen müssen sich mit der Frage konfrontieren: wer bin ich und was ist aus mir geworden? Ein kluger Roman über Freundschaft, Sehnsüchte und Lebenswahrheiten. Und noch etwas gelingt Meg Wolitzer ganz wunderbar: gekonnt hält sie dem modernen Amerika den Spiegel vor. Brillant!
So, dass waren meine Lesetipps für kalte Wintertage und für alle Momente in denen dir mal nach ‚Stecker ziehen‘ ist. Ich wünsche Dir viel Freude mit dem einen oder anderen Buch!
Hab ein schönes 3. Advents-Wochenende!
Allerliebst,
*bee
Gabi says
Stecker ziehen, aus der Allzeit-Bereit-Welt herausfallen…klasse Sache!
Ich kann das bestätigen, und mit jedem Mal wird es leichter…eben nicht erreichbar zu sein…
Genieß deine ruhige Zeit und danke für die tolle Lesefutter Anregungen.
Liebe Grüße
Gabi
tina says
Hat dies auf Ein zweiter Blick rebloggt und kommentierte:
so ein schöner Blog !
tina says
Ich kommentiere viel zu selten bei Dir, sorry. Deine beiträge sind immer so wohltuend für die Seele. Dafür herzlichen Dank. Viele Grüße Kerstin