Letztens im Büro: ich komme rein, werfe den Rechner an und bevor ich an die Kaffeemaschine stürme, nehme ich, wie jeden Morgen, den kleinen Abreißkalender in die Hand um den Spruch des Tages durchzulesen. Normalerweise werfe ich das Kalenderblatt danach gleich weg, wenn ich mag was ich lese, hebe ich es noch eine Weile in einem meiner unzähligen Notizbücher auf. Bei diesem Kalenderblatt war aber alles ganz anders… Erst bekam ich eine unsagbare Gänsehaut, dann musste ich vor lauter Verzückung laut seufzen und schlußendlich konnte ich das Rührungstränchen geradenoch zurückhalten.
Was ich gelesen habe? Na ja, zum Beispiel das hier…
Kennst Du vielleicht auch, oder? Der Satz stammt aus einem Gedicht von Joseph von Eichendorff. Schon tausendmal gelesen und in der Schule auswendig gelernt. Dieses Mal mit einem klitzekleinen Unterschied, denn es rührte mich fast zu Tränen. Sooooo schöööööön fand ich es plötzlich. Und zwar aus heiterem Himmel, denn in den letzten 20 Jahren hat mich das Gedicht null berührt.
Und in diesem Moment machte ich die folgenden Erkenntnisse: a) Ich werde alt. Jep. Es muss so sein, denn wenn ich jetzt schon bei solch kitschiger Poesie weiche Knie bekomme, gibt’s wohl keine andere Erklärung. Bislang bemerkte ich mein fortschreitendes Alter meist nur wenn ich in die Gesichter meiner Kinder blickte. Wenn ich täglich hören kann wie sie wachsen…
Die zweite Erkenntnis: b) Älter werden kann ja so furchtbar schön sein. Denn es kommen so viele unglaubliche Dinge auf einen zu. Man mag plötzlich Dinge, denen man vorher überhaupt keine Beachtung geschenkt hat. Und dann machen diese Dinge einen aus heiterem Himmel auch noch sooo überaus glücklich. Wie dieses Gedicht zum Beispiel. Herrlich.
Dieses besondere Kalenderblatt ist natürlich nicht im Müll gelandet, sondern sollte einen Ehrenplatz bekommen. Und das sieht jetzt so aus:
5 Minuten nach dem Abreißen des Kalenderblatts habe ich online einen kompletten Gedichtband von Herrn Eichendorff bestellt. Der ist schon lange ausgelesen und hat mich noch mehr auf den Geschmack gebracht. Zwar sind längst nicht alle Gedichte so berührend wie die „Mondnacht“ aber dieses kribbelige Gefühl gibts immer wieder mal… manchmal nur bei einem gelesenen Satz oder Wort.
Auch wunderschön, und ebenfalls von Joseph von Eichendorff: „Schläft ein Lied in allen Dingen“.
Die Gedichte habe ich abgetippt, auf Folie gedruckt (oder kopiert) und eingerahmt. Dabei die Rückwand des Bilderrahmens entfernt und die Folie mit etwas Kleber am Rahmen bzw. Glas befestigt, so dass nichts herausfällt. Sieht besonders hübsch aus wenn das Bild vor einem schönen Hintergrund, einer Tapetenwand o.ä. steht.
Und die „Sommerfrische“ von Joachim Ringelnatz bringt Dich garantiert zu Lächeln. Und macht Hoffnung auf einen richtigen Sommer. Genau das was ich grad gebrauchen kann,… Woher haben Sie das nur gewusst Herr Ringelnatz?
Und welches AHA-Erlebnis hattest Du kürzlich? Ein schönes? Verrat es mir.
Ich wünsche Dir ein wunderbares Wochenende,
*bee
PS: Und falls Dir das alles zu kitschig ist, du die Folien-Rahmen-Idee aber gut findest, selbstverständlich lässt sich so ziemlich alles auf Folie drucken oder kopieren und einrahmen. Meinen Flur schmückt jetzt zum Beispiel dieses Bild (Freebie von hier):
nike says
du bringst mich zum lächeln, bee.
„… hehres glänzen, heilges schauern! wie so weit und still die welt!…“
auch herr von eichendorff – in der schule zu weihnachten auswendig gelernt & vor ein paar jahren zufällig auf einer postkarte entdeckt. wunderschöner moment.
ein schönes wochenende dir
liebsten gruß
nike
emmabee says
ohhh…. danke für’s teilen! ich weiß gaaaaanz genau was du meinst…
glg und auch dir ein traum-wochenende,
*bee
Sonnenschein says
Liebe Bee,
diese Gedichte liebe ich.
Und nein, dass man sie mag hat nichts mit dem Alter zu tun.;-
Die Idee mit der Folie ist klasse.
Dir ein schönes Wochenende,
Lieben Gruß Teresa
emmabee says
liebe teresa,
alter, weisheit oder was auch immer es ist… mich trifft man jetzt auch mit lyrik auf der couch an 😉
glg,
*bee
Fräulein Famos says
Liebe Bee, welch ein wundervoller Post! Genau diese beiden Gedichte von Joseph von Eichendorff haben wir in der Schule auf unterschiedlichste Art und Weise „durchgekaut“, im Musik- und Deutschunterricht, bis ich sie nicht mehr sehen oder hören mochte – es ist ja häufig so, dass einem die Schönheit bestimmter Dinge gar nicht auffällt, wenn sie einem aufgezwungen werden. Ich jedenfalls reagiere da oft mit einer Art „Trotz-Blindheit“ über die ich mich dann hinterher schwarz ärgern könnte – wenn mir nämlich auffällt, wovor ich da eigentlich die Augen verschlossen habe und was mir dadurch entgangen ist.
Bei den Gedichten war es dann tatsächlich so, dass ich die Schönheit der Worte erst in einem stillen Moment, als ich ganz alleine war und gerade meine Schulsachen sortiert habe, bemerkt habe. Dann erst kamen mir dazu Bilder in den Kopf, und mir ist aufgefallen, was für schöne Gedanken Eichendorff da eigentlich in Worte fasst. Danach hatte ich auch in der Schule viel mehr Spaß daran.
Die Idee mit der Folie finde ich übrigens absolut klasse – das muss ich unbedingt auch mal ausprobieren! Vielen Dank für die Inspiration!
Liebste Grüße und ein schönes Wochenende!
Naomi
emmabee says
liebe naomi,
das hast du ganz wunderbar beschrieben… genauso ist es. und für manche erkenntnisse und erfahrungen bedarf es dann wohl nicht nur der freiwilligkeit sondern auch der „reife“… und ich bin jetzt endliche „reif“ für poesie. und zwar nicht mehr nur die aus dem poesie-album 😉
allerliebste grüße,
*bee
popeyetalk says
Ooohhh jaaa ich kenne das auch … mich haben letzte Woche meine Studenten bei ihrem Tanzdiplom total geflasht… ich war so berührt und bewegt dass ich kaum noch benoten konnte…. also ich weiss ja nicht wie das bei dir ist, liebe Bee… aber ich persönlich habe für diese plötzlichen Gefühlsanwandlungen nur eine Erklärung: Entweder ich komme nun nach nur 35 kurzen Jahren tatsächlich aus der Pupertät raus und geh jetzt direkt nahtlos in die Wechseljahre über, oder ich bin schwanger! *grins*
emmabee says
😉
Sabine says
Jaaa ich kenne solche Momente auch! Und auch ich könnte dann sofort los weinen und wenn nicht weinen, dann habe ich zumindest Tränen der Rührung in den Augen! Bei einem Gedicht von Eichendorff hatte ich das schon als Kind: „Weihnachten“. Ich meine mich zu erinnern, dass ich ein Pixi-Büchlein hatte und unter jedem Bild war eine Zeile von diesem Gedicht. Ich fand es damals schon wunderschön und habe es mir immer wieder angeschaut und durchgelesen. Ganz lieben Dank fürs „Dran-Erinnern“!!!
Liebe Grüße
Sabine
emmabee says
oh, wie mich das freut… dass ihr alle genau zu wissen scheint wie ich mich fühle! und ein pixi-buch mit eichendorff-gedicht??? das hätt ich auch gern.
glg,
*bee
Kuchenherzerl says
Liebe Birgit, mein AHA-Moment ist ganz direkt mit diesem Artikel hier verknüpft. Denn während ich gestern Abend das Zitat von Konfuzius lese und ein wenig vor mich hin träume, kommt er, DER Anruf, mit dem ich die Zusage für meinen Traumjob bekomme.
Strongly inspired by Bee, werde ich mir diese weisen Worte hübsch gerahmt auf meinen neuen Schreibtisch stellen.
Liebe Grüße,
Catharina
emmabee says
Uiiiiiiiii, herzlichen glückwunsch liebe Catharina!!!!!
Ich für mich sooooooo für dich! Lass es dir richtig gut gehen und feier Jensen besonderen Moment mit was großem!
Allerliebste Grüße,
*bee
iLilly says
Sooo schön! Ich kannte Herrn Ringelnatz’s tolle Worte noch gar nicht. Ich glaube, bei uns wird auch bald etwas von ihm hängen. Vielen lieben Dank! LG
emmabee says
Schön, nicht wahr? Auch erst kürzlich wiederentdeckt und mich schwer verliebt…
Liebste Grüße,
*bee
Sophi says
Kannst du mir sagen was das für eine grüne Blume ist, die schaut schön aus? Und noch eins wohnst du in einem Fotostudie, weil deine Bilder immer so sauber und perfekt ausschauen 🙂
emmabee says
Ohhhh, erwischt…. Bin so überhaupt nicht gut als Botanikerin… Sorry!